In der ersten Ebene stehen die Siedlungen aus antiken Kontexten im Vordergrund; Impulsgeber sind die historisch und archäologisch arbeitenden Fächer. In der Gestaltung von antiken Siedlungen gibt es signifikante strukturelle Gemeinsamkeiten, die es beispielsweise in assyrischer Zeit dem Bewohner einer Provinzstadt im heutigen Israel ermöglichten, sich in der Hauptstadt Ninive zurechtzufinden und den städtischen Raum zu lesen. Die moderne Forschung zum antiken Siedlungswesen hat daher oft charakteristische Gestaltungsmuster von Siedlungen und Städten ausgemacht und sich dabei auf die jeweils allgemein üblichen Gebäudetypen wie z.B. Stadttore, Fora oder Tempelbezirke bezogen. Dem steht epochenübergreifend eine beachtliche Diversität gegenüber: Trotz überregionaler Gemeinsamkeiten fielen einem reisenden Zeitgenossen sofort die markanten Unterschiede zwischen den von ihm besuchten Stätten auf.
Siedlungen bzw. deren Beschreibungen zeigen sich also im Spannungsbogen von Diversität und Gleichförmigkeit – eine Eigenart, die auch die gegenwärtige Stadtsoziologie umtreibt. Die zweite Ebene nimmt das Thema Siedlungen entsprechend aus weiterer zeitlicher Perspektive in den Blick. Im Focus steht dabei einerseits die Frage nach überzeitlichen Phänomen. Durch die Einbeziehung der Ethnologie sollen andererseits gegenwärtige Formen von Städten und Siedlungen in die Debatte eingebracht werden. Beispielhaft für diese Erweiterung ist etwa das Thema "Lost Cities": Bereits in der Antike sind seit archaischer Zeit bis in die Spätantike teilweise oder komplett verlassene Städte ein zeittypisches und sehr verbreitetes Phänomen gewesen. Heute sind es Beispiele wie der Niedergang der Stadt Detroit oder das durch ein Erdbeben zerstörte Christchurch, die einbezogen werden sollen. Hier tritt die Frage in den Vordergrund, an welchen Orten Menschen aus welchen Gründen siedeln – und sich auch von gefährlichen Umweltbedingungen nicht davon abbringen lassen.